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Echtzeitnahe Detektion von Oberflächenverschmutzungen beim Rührreibpunktschweißen durch KI

Echtzeitnahe Detektion von Oberflächenverschmutzungen beim Rührreibpunktschweißen durch KI

KI in der Qualitätskontrolle

Die fortschreitende Entwicklung und Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) hat in diversen Branchen eine transformative Wirkung gezeigt. Insbesondere in Bezug auf die Qualitätssicherung bieten KI-basierte Systeme Potenziale für eine kosteneffiziente Qualitätssicherung in Produktionsprozessen. KI bietet hier beispielsweise eine Chance für Zulieferer der Automobilindustrie: Dies wird im Besonderen relevant, da die Anzahl der sicherheitsrelevanten Bauteile in der Fahrzeugelektronik kontinuierlich steigt. Dies wird noch angesichts der sich verändernden Anforderungen der E-Mobilität und des autonomen Fahrens verstärkt, da hier defekte Verbindungen massive, sicherheitsrelevante Auswirkungen haben können. Der daraus resultierende Druck der Automobilhersteller auf die Qualitätsanforderungen macht eine 100% Prüfung in naher Zukunft unabdingbar [1]. Eine mögliche Überwachung des Produktionsprozesses durch eine intelligente Kombination von Sensoren und anschließender Auswertung mittels Machine-Learning-Algorithmen ermöglicht nicht nur die echtzeitnahe Qualitätskontrolle, sondern auch das Erkennen und Zuordnen von Fehlern und somit eine direkte Rückkopplung zur gesamten Fertigungskette.

Rührreibpunktschweißen

Um zukünftig Gewichts- und Kostenreduktion im Bordnetzbereich zu realisieren, kann Kupfer durch Aluminium substituiert werden. Dafür sind jedoch Fügetechnologien für Cu/Al-Verbindungen, wie das Pressschweißverfahren des Rührreibpunktschweißens notwendig. Beim HFEB-Verfahren erzeugt das rotierende Werkzeug in Kontakt mit dem oberen Fügepartner einen reibungsbedingten Wärmeeintrag, der zusammen mit der durch das Eintauchen des Werkzeugs verursachten plastischen Verformung die Diffusion zwischen den beiden Fügepartnern fördert (Abbildung 1). Die so hergestellten Mischverbindungen zeichnen sich durch geringe Prozesszeiten, lokalisierten Wärmeeintrag mit geringer Querschnittsreduktion und minimiertes Auftreten von intermetallischen Phasen, da die Schmelztemperaturen der Werkstoffe nicht überschritten werden, aus [2]. Vor diesem Hintergrund ist die Prozessüberwachung und die direkt damit verbundene Möglichkeit der Qualitätssicherung der Verbindungen ein zentrales Ziel. Dies verdeutlicht den Bedarf an KI-Methoden zur zerstörungsfreien und so kosteneffizienten Qualitätssicherung.

Abbildung 1: Verfahrensprinzip des Hybrid Friction Eutectic Bonding (HFEB) als Abwandlung des Rührreibpunktschweißens, nach [3]

Auswahl der relevanten Prozessparameter

Beim konventionellen Rührreibschweißen werden Rückschlüsse aus Drehmoment- und Kraftkurven gezogen, um Informationen über Nahtunregelmäßigkeiten zu erhalten [4]. Darüber hinaus können verschiedene Kombinationen von Werkstoffen, Schweißparametern und Werkzeuggeometrien als Eingangswerte für die Vorhersage mechanischer Eigenschaften, wie Zugfestigkeit, Streckgrenze und Härte der Wärmeeinflusszone genutzt werden. Die Nutzung von KI zur Vorhersage mechanischer Eigenschaften der Verbindung im HFEB in Abhängigkeit vom Werkzeugverschleiß wurde an anderer Stelle demonstriert. (https://www.proki-ilmenau.de/echtzeitnahe-kontrolle-des-werkzeugverschleisses-beim-ruehrreibpunktschweissen-durch-ki/).

Im Folgenden soll gezeigt werden, wie KI genutzt werden kann, um Verunreinigungen der Oberfläche zu erkennen. Denkbar sind hier Öle, Schmierstoffe oder anderweitige Verschmutzungen auf der Oberfläche der Fügepartner, welche in Werkstatt-, Produktions- oder Lagerumgebungen entstehen (Abbildung 2). Gerade bei reibbasierten Verfahren, deren Energieeintrag im Wesentlichen auf der generierten Reibwärme zwischen Werkzeug und Fügeteil beruht, können solche Verunreinigungen zu n.i.O-Schweißungen führen.

Abbildung 2: Darstellung der Kategorien verunreinigter Oberfläche

An dieser Stelle ist Prozessverständnis für die Auswahl der durch Oberflächenverschmutzung beeinflussten Parameter entscheidend. Anhand der Prozesskraft, des Drehmoments sowie des Eintauchwegs des Werkzeugs ist eine Vorhersage des Verschmutzungszustands der Oberflächen im Schweißprozess möglich. Diese Daten werden direkt aus der Maschine oder durch nachgerüstete Sensorik ausgelesen. Ein tiefes Prozessverständnis ist im Weiteren relevant, um auch sich gegenseitig überlagernde Effekte, wie hier, den Anstieg des Drehmomentes mit zunehmendem Werkzeugverschleiß, zu beachten.

Auswahl eines geeigneten Machine-Learning Algorithmus

Es ist bekannt, dass künstliche neuronale Netze (ANN) gute Fähigkeiten zur Kategorisierung, im klassischen Anwendungsfall von Objekten oder Lebewesen auf Bildern, aufweisen. Diese werden beispielsweise in anderen Bereichen der Schweißtechnik für die Prozesssteuerung oder Qualitätssicherung eingesetzt. Die Funktionsweise dieser Netze ist dabei von der des menschlichen Gehirns inspiriert. Die Auswahl fiel auf eine Unterart des ANN, ein Convolutional Neural Network (CNN). Diese haben ihren Ursprung in der Bildverarbeitung, eignen sich aber auch hervorragend für die Analyse von zeitabhängigen Verläufen, wie sie in Schweißprozessen auftreten. Von dieser Auswahl hängt anschließend der Umfang der Aufbereitung der Daten für den Machine-Learning Algorithmus ab. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Auswahl des Algorithmus und des tiefergreifenden Designs eines neuronalen Netzes oft nur durch Zyklen des Ausprobierens und Interpretierens der jeweiligen Ergebnisse möglich ist.

Anwendung in der Praxis

Um eine Integration in den Fertigungsprozess zu ermöglichen, wurde am Mittelstand Digital Zentrum Ilmenau ein User Interface erstellt (Abbildung 3). Dieses visualisiert dem Bediener der Maschine die Prozesskurven der Schweißungen als Grundlage der Interpretation durch die KI. Das Ergebnis wird visuell in Form einer Ampel für i.O. und n.i.O. Schweißungen dargestellt, die so unmittelbares Feedback ermöglichen. Um die Transparenz der Entscheidungsfindung zu steigern und so auch die Akzeptanz der KI bei den Mitarbeitern zu steigern, werden die Wahrscheinlichkeiten für die jeweiligen Positionen der Verunreinigung dargestellt. 

Abbildung 3: User-Interface mit Visualisierung der Oberflächenbeschaffenheit 

Der praxisnahe Demonstrator kann in Ilmenau besichtigt werden. Dieser ist ein hervorragendes Anwendungsbeispiel von KI in der fertigungstechnischen Praxis. Das Prinzip kann auch auf andere Verfahren mit ähnlichen Verläufen übertragen werden. Die Vorgehensweise bis zum fertigen Modell stellt eine Blaupause für ähnlich angesiedelte Projekte dar. Genauere Informationen zu der hier gezeigten Vorgehensweise finden Sie auch unter: https://doi.org/10.1177/1464420720912773

Den Artikel des Mittelstand-Digital Zentrums Ilmenau mit vielen weiterführenden Informationen finden Sie hier.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens werden im nächsten Schritt Ansätze der Detektion von Prozessunregelmäßigkeiten auf Grundlage akustischer Prozessemissionen durch ein neuronales Netz untersucht. Die zu entwickelnde KI-Gestützte Prozessüberwachung ist nicht an bestimmte Hersteller von Rührreibpunktschweißmaschinen gebunden und somit nachrüstbar. Das Pilotprojekt „In-situ-Qualitätskontrolle“ ist Teil des vom Land Thüringen und dem Thüringer Zentrum für Lernende Systeme und Robotik (TZLR) geförderten „thurAI“ Projekts. Für weitere Informationen oder Workshops zu diesem oder weiteren Projekten der Ilmenauer Fertigungstechnik (IFt) und der ProKI-Ilmenau wenden Sie sich gern an unseren wissenschaftlichen Mitarbeiter Kai Ehlich.

Quellen:

[1] Köhler T., Schiele M., Glaser M., Schricker K., Bergmann J., Augsburg K. (2020). In-situ monitoring of hybrid friction diffusion bonded EN AW 1050/EN CW 004A lap joints using artificial neural nets. Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers. Journal of Materials, Design and Applications. 234 (5), 766–785.

[2] Zlatanovic D., Balos S., Bergmann J., Köhler T., Grätzel M., Sidjanin L., and Goel S. (2020). An experimental study on lap joining of multiple sheets of aluminium alloy (aa 5754) using friction stir spot welding. The International Journal of Advanced Manufacturing Technology, 107 (7), 3093–3107.

[3] Regensburg A., (2021). Hybrid Friction Eutectic Bonding (HFEB) – stoffschlüssiges Fügen von Aluminium und Kupfer unter Nutzung der eutektischen Reaktion. Fertigungstechnik – aus den Grundlagen für die Anwendung: Schriften aus der Ilmenauer Fertigungstechnik. Universitätsverlag, Ilmenau.

[4] Boldsaikhan E., Logar A.M., Corwin E.M. (2010). Real-time quality monitoring in friction stir welding: the use of feedback forces for nondestructive evaluation of friction stir welding. Saarbrücken: Lambert Academic Publishing.